Wer an Depressionen erkrankt ist, leidet häufig auch unter Schlafstörungen. Darunter werden meist Ein- und Durchschflafprobleme verstanden sowie verfrühtes Erwachen und stundenlanges Wachliegen. Wann immer ich von Ärzten und Therapeuten nach meinen Schlafstörungen gefragt wurde, konnte ich alle diese Formen im Wechsel bestätigen. Was ich jedoch nie erwähnt habe, waren die Blitze im Kopf und diese gruselige Lähmung beim Einschlafen oder Aufwachen. Besonders letzteres hielt ich für ein paranormales Geschehen, welches mich zutiefst verunsicherte und beschämte. Befeuert durch die radikal - christliche Atmosphäre in meinem Elternhaus.
Ich kannte Schlafstörungen bereits von Geburt an. Zumindest wurde mir erzählt, dass ich jede Nacht geschrien habe und Angst im Dunkeln hatte. Heute bin ich davon überzeugt, dass ich einfach nicht alleine schlafen wollte. Vielleicht sind daraus auch erst die Schlafstörungen entstanden. Zumindest wurde es nach der Pubertät immer schlimmer. Zu dieser Zeit schlich sich die Dhysthymie ein. In meinem Tagebuch ist häufig zu lesen: "Es ist 2 Uhr morgens, und ich kann mal wieder nicht schlafen." Und dann passierte hin und wieder etwas sehr merkwürdiges. Zwischen Wachen und Schlafen fühlte ich mich plötzlich wie von einer Bleidecke beschwert. Mein Körper war vollständig gelähmt, mein Bewusstsein jedoch wach. Ich wollte um Hilfe rufen, konnte es aber nicht. Dazu gesellte sich eine panische Angst. Ich fühlte mich bedroht von irgendwelchen dunklen Mächten. Nach ein paar Sekunden oder Minuten war der Spuk vorbei. Da ich Erzählungen über den Teufel, Dämonen und arme Seelen gewohnt war, nahm ich an, dass ich "Besuch" gehabt hatte. Meine Mutter bestätigte dies natürlich und empfahl mir zu beten. Meiner Angst half das nicht. Im Gegenteil.
Manchmal passierte es mir auch, dass ich beim Einschlafen einen lauten Knall in meinem Kopf hörte wie ein Schuss, begleitet von einem Blitz. Davon schreckte ich natürlich auf, was das Entspannen zusätzlich erschwerte. Meine Mutter war der Meinung, dass dies daher käme, weil ich auf Partys ginge. Das sei eine negative Umgebung. Außerdem würden die Stroboskoplichter das provozieren. Ich fragte mich, ob ich an Epilepsie leiden würde. Untersucht wurde nichts davon. Ich war schließlich selber Schuld, weil ich lieber tanzen ging als zum Bibelkreis. Das letzte Mal traten diese Phänomene bei mir auf, nachdem ich von Zuhause ausgezogen war. Mit Mitte 20 verschwanden die Symptome.
Erst 10 Jahre später stieß ich aufgrund meiner Depressionsdiagnose und meiner Recherchen zu sämtlichen meiner Probleme auf das Wort Schlafparalyse. Es beschrieb exakt diese angsteinflößende Körperlähmung mit alptraumartigen Halluzinationen. Esoterische Kreise nennen es auch Hexendrücken und gehen wiederum von dämonischen Besuchen aus. Warum die Halluzinationen ausschließlich gruselig sind, kann niemand erklären. Wohl aber diese Schlafstörung, bei der der Körper schläft, während das Bewusstsein noch oder schon wach ist. Denn wir alle haben diese Schlaflähmung. Sie ist ein Schutzmechanismus unseres Körpers, der verhindert, dass wir im Traum erlebte Bewegungen ausführen und uns dabei verletzen. Normalerweise bekommen wir aber davon nichts mit. Die Ursachen der bewusst erlebten Schlafparalyse können u.a. unregelmäßiger Schlaf und starker psychischer Stress sein.
Erst vor wenigen Tagen stieß ich zufällig auf einen Artikel über exotische Kopfschmerzenarten. Dabei wurde auch das Exploding Head Syndrome beschrieben, welches aber tatsächlich schmerzfrei einhergeht. Beim explodierenden Kopf kommt es eben zu dem lauten Knall und einem Blitz im Kopf. Es handelt sich jedoch nicht um eine besondere Form von Kopfschmerz sondern um eine Schlafstörung, die gerne in Verbindung mit der Schlafparalyse auftritt. Also sind auch hier die häufigsten Ursachen Schlafmangel und Stress, allerdings auch psychische Erkrankungen wie Depressionen und Ängste.
Beides ist übrigens ungefährlich und muss nicht zwingend einem Arzt vorgetragen werden. In den meisten Fällen verschwinden die allenfalls unangenehmen Symptome von allein. Falls nicht, sollten diese neurologisch untersucht werden. Was mich überrascht hat, war, wie häufig diese Schlafstörungen vorkommen, während kaum jemand darüber bescheid weiß. Sowas erzählt man ja auch nicht so gerne. Ich zumindest hatte Sorge, man könne mich für völlig durchgeknallt halten. Die Aufklärung über die Schlafparalyse beruhigte mich jedenfalls enorm. Ach, was sag ich - es war eine riesengroße Erleichterung. Auch als spiritueller Mensch freue ich mich immer wieder über wissenschaftliche Erklärungen. Glaubt einem ja oft keiner.
Was kann man aber nun dagegen tun? Bei der Schlafparalyse hilft im akuten Moment das Bewegen der Augen. Die sind von der Lähmung nämlich ausgenommen. Oder man konzentriert sich darauf, einen Finger zu bewegen. Dadurch wird der Körper geweckt und die Paralyse verkürzt. Hilft tatsächlich. Bestätigen kann ich auch, dass die Lähmung nur dann auftrat, wenn ich auf dem Rücken lag. Ansonsten kann man nur vorbeugend an die Sache herangehen und sich um eine bessere Schlafhygiene bemühen. Bei anhaltendem psychsichen Stress oder mentalen Erkrankungen hilft wohl nur das Bearbeiten seiner Themen in der Therapie oder eine medikamentöse Unterstützung durch einen Facharzt. Außerdem unterstützt alles, was der Entspannung dient: Yoga, Meditation, Natur, Atemübungen... Allerdings darf das jeder für sich selbst herausfinden, was bei ihm zur Entspannung führt. Manche Menschen werden vom Meditieren zusätzlich nervös.
Es ist schon bemerkenswert, was unser Körper bei Stress und psychischen Problemen so alles anstellen kann, um eine Überlastung anzumelden. Im Zweifelsfalle halte ich es für ratsam, mit einem Arzt, einer Ärztin oder dem / der Therapeut*in eures Vertrauens über solche Symptome zu sprechen. Und mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Insbesondere wenn ihr wie ich in einem - wie soll ich es nennen - übersinnlich missbräuchlichen Umfeld aufgewachsen seid oder lebt. Man kann allem eine spirituelle Bedeutung geben. Wenn es für euch passt und von euch selber kommt, ist das ok. Man kann aber auch gleichzeitig nach einer medizinisch wissenschaftlichen Erklärung dafür suchen. Für mich schließt das einander nicht aus. Wichtig ist, dass einen die Antwort beruhigt und die Symptome behoben werden, indem man an die Ursachen herangeht. Angstmache durch einen anderen Menschen ist grundsätzlich zu hinterfragen. Das führt zu Scham und zur Verstärkung des Problems.
Im Anschluss füge ich ein paar Webseiten an, auf denen die Schlafstörungen näher erklärt werden.
Schlafparalyse: Ursachen und Behandlung
Schlafparalyse: Ursachen, Infos und Maßnahmen
Schlafparalyse - Schlaflähmung: Wenn nachts die pure Angst aufblitzt
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Sofasophia (Freitag, 14 Mai 2021 17:35)
Ich bin ja immer froh, wenn ich etwas nicht habe, was so an Symptomen aller Art zu haben ist.
Dennoch bin ich dir dankbar für die Aufklärung. Davon habe ich wirklich noch nie gehört oder gelesen.
doris (Montag, 19 Juli 2021 17:58)
Hallo, durch meine Depressionen habe ich auf dem Web einige Blogs besucht. So habe ich heute hier bei Dir das Exploding Head Syndrom gefunden. Es ist bei mir schon länger her, dass ich diese nächtlichen „Besuche“ hatte, jedoch waren sie immer sehr reell und gruselig. Es war mir deshalb eine ganze Weile nicht möglich, alleine irgendwo zu schlafen. Die Art, wie diese „Träume“ begannen, war stets gleich und ich wurde fast „ überfahren“.
Niemand glaubte mir damals. Ich bin froh, dass das Phänomen einen Namen hat.
Alles Gute weiterhin. Dankgefühl das geteilte Wissen. Ich wurde lange nicht mehr „besucht“.