Boah, wie ich diese Frage hasse! Dicht gefolgt von "Was brauchst du jetzt?". Dabei sollte man meinen, dass ich als Sozialarbeiterin und graduierte Gestalt-Psychotherapeutin sowas beantworten
kann. Total peinlich! Aber letzten Endes kann ich Nobelpreisträger in Psychologie sein - wenn ich meine Gefühle und Bedürfnisse abgespalten habe, hilft das alles nix.
Es ist nicht so, dass ich nichts fühle. Wenn ich auf die Frage "Wie fühlst du dich damit?" mit Wortlosigkeit oder besten Falls mit "Keine Ahnung" antworte, bedeutet das nicht, dass in mir alles
abgestorben ist. Im Gegenteil. In einem solchen Moment findet in meinem Inneren ein emotionaler Supergau statt, den ich durch Atem anhalten und Erstarren mal eben kurz einfriere. Und dann legt
sich dieser diffuse Nebelschleier über meine Wahrnehmung, und mein Sprachzentrum macht Blitzurlaub. Dabei mangelt es mir gewiss nicht an Wortschatz.
Meistens bleibe ich erstmal schön im Kopf und erzähle, was ich über das eben Gesagte denke und lasse mir lustige Theorien und Analysen einfallen. Das hat aber leider nichts mit Fühlen zu tun.
Bevor ich in Therapie ging, dachte ich, ich wüßte, was Gefühle sind. Wenn ich aber sage, ich bin verzweifelt, hoffnungslos, ängslich und dergleichen, sagt meine Therapeutin: "Das ist ein
Zustand." Mist! Was waren noch gleich die Grundgefühle? Ich habe das in meiner Verwirrung tatsächlich mal gegoogelt. Gelobt sei das Internet! Allerdings gibt es auch hier wie zu jedem Thema
verschiedene Ansichten. Grundsätzlich tauchen in allen Theorien Wut, Trauer und Freude auf. Angst wird ebenso sehr wohl als eines der 5 Grundgefühle deklariert. Nummer 5 ist die Scham. Das ist
doch schonmal recht übersichtlich. Irgendwann hat meine Therapeutin auf meinen Missmut hin zugegeben, dass sie ziemlich streng ist in Bezug auf Gefühlsäußerungen. Es gibt einfach zuviele
Schlupflöcher. Wenn ich mich dann wieder einmal nicht aus meinem Kopf heraus traue, fragt sie mich: "Was denkst du, dass du fühlen könntest?" Netter Trick! Funktioniert nicht.
Beim Wahrnehmen und sogar Äußern von Bedürfnissen wird's richtig gefährlich. Alltägliche Dinge, die eher weniger in die Tiefe gehen, wie z.B. Schokolade, eine klare Antwort oder eine warme Jacke,
kann ich sehr gut einfordern. Aber in einem aufwühlenden Moment um sowas wie Schutz, eine Berührung oder Umarmung zu bitten, legt meine tiefste Verletzlichkeit frei. Wenn ich etwas in dieser Art
am dringensten brauche, laufe ich gerade ohnehin schon emotional Amok. Und dann soll ich auch noch das Risiko eingehen, mich vollkommen verwundbar zu zeigen und möglicherweise abgewiesen oder
gefressen zu werden!? Das gelingt mir ab und zu bei ein bis zwei Personen, denen ich wirklich vertraue. Denn ich muss mir schließlich dabei eingestehen, dass ich nicht so cool und stark bin, wie
ich es gerne vortäusche - und zwar so gekonnt, dass ich es mir selber glaube. Und dann meldet sich plötzlich dieser ewig verdrängte Kinderanteil vehement zu Wort - also ohne Worte, nämlich mit
einem diffusen Gefühl - und torpediert mir mein komplettes Selbstkonzept von Unabhängigkeit und Souveränität. Ich merke gerade, dass ich bei diesem Thema Scham empfinde. Beängstigend...
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