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Die Maus erklärt psychische Krankheiten und Therapien

Bild: wdrmaus.de
Bild: wdrmaus.de

Als Kind habe ich die Sendung mit der Maus geliebt. Jetzt hat der WDR eine Spezialsendung zum Thema unsichtbare Krankheiten herausgebracht. Sehr gelungen, wie ich finde!

 

Ich weiß leider gar nicht, wie der junge Mann heißt, der den Kindern das unsichtbare Innenleben anhand von Luftballons erklärt. Früher war das Christoph, der immer sagte: "Klingt komisch, ist aber so." Die Zeiten ändern sich. Jedenfalls ist diese Erklärung sehr anschaulich - auch für Erwachsene.

 

Was mich sehr berührt hat, waren die Geschichten der Kinder, die in einer Klinik waren. Sie schilderten etwas, das auch ich dort erlebt habe. Wir nannten es "die Heiligenfelder Käseglocke". Wir Patienten fühlten uns in der Rehaklinik deutlich besser von unseren Mitmenschen verstanden und getragen als außerhalb. Die bekannte Frage, ob nun wirklich wir oder nicht vielmehr die da draußen krank sind, stellte sich häufig. Natürlich ging es auch unter der Käseglocke nicht ohne Konflikte ab. Patienten triggern sich gegenseitig mit ihren Geschichten und ihrem Verhalten. Wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es hin und wieder Streit. Und doch fühlte nicht nur ich mich dort irgendwie richtiger als draußen. Woran liegt das?

 

Wie die Kinder in der Sendung mit der Maus erzählen, steht man in einer Klinik zu seinen psychischen Problemen. Alle wissen, dass jeder, der dort ist, einen Grund dafür hat. Man interessiert sich füreinander. Oft ähneln sich die Themen, wodurch einerseits Triggergefahr besteht, aber andererseits auch ein tieferes Verständnis möglich ist. Man weiß von den Schwierigkeiten der anderen, ist sich seiner eigenen Themen bewusst und achtet aufeinander. Unter dieser Käseglocke entsteht eine Welt, die man sich auch draußen wünscht. Sie ist nicht perfekt, aber menschlicher, offener, mitfühlender. Es ist dort normal, dass immer irgendwo jemand weint. Da wird nicht doof geglotzt. Man geht hin und fragt, ob man etwas tun kann. Weil man weiß, wie das ist. Weil man gestern selbst irgendwo saß und heulte. Und da auch jemand kam, um zu trösten. Man feiert therapeutische Erfolge miteinander. Und vor allem fühlt man sich nicht mehr wie ein verrückter Freak unter lauter "normal funktionierenden" Menschen. Allen fehlt eine Schraube, und alle sprechen offen darüber.

 

Das ist "draußen" anders. Da schämt man sich wieder. Da hat man mitunder Nachteile durch seinen offenen Umgang mit seiner psychischen Krankheit zu befürchten. Da muss man wieder ganz viel. Besonders funktionieren. Da bemüht sich jeder um eine glänzende Fassade. Der Wind weht wieder rauher. Die Menschen sind härter, die Realität ist eine andere. Schade eigentlich. Es könnte so einfach sein. Wir könnten es uns so einfach machen. Aber die Existenzangst hält uns davon ab. Eine Kliniktherapeutin sagte: "All die netten Menschen, von denen Sie hier sprechen, die werden nicht in der Klinik gezüchtet. Die kommen von draußen. Also gibt es sie auch außerhalb der Klinik." Das stimmt. Aber dieser Wahrheit steht eben die oben genannte entgegen. Draußen sind wir in alle vier Winde verstreut unter all denen, die entweder keine psychische Krankheit haben oder sie nicht erkennen, die keine Toleranz psychisch Kranken gegenüber zeigen. Da schweigt man wieder und fühlt sich wieder allein mit seinen Monstern. Eine psychosomatische Rehaklinik oder Psychiatrie funktioniert wie eine Filterblase in den sozialen Medien. Man ist unter sich, und deshalb fühlt man sich besser verstanden. Es wäre doch schön, wenn man dieses "unter sich sein" erweitern könnte. Ja, ja, Träumerei, ich weiß. Aber genau hier setzt ja der Kampf für die Entstigmatisierung an.

 

Stichwort Monster. Ein Mädchen erzählt in der Sendung mit der Maus, dass sie ihre Angst als Monster gesehen hat und sie zu diesem ein zweites erfand, um die Angst zu bekämpfen und zu überwinden. Das halte ich für eine sehr gute Idee! Ich könnte mir vorstellen, dass Kindern dies leichter fällt. Erwachsene denken doch eher abstrakt und haben ihre Fantasie zugunsten der Vernunft aufgegeben. Wenn ein Therapeut sie dann dazu auffordert, ihren Gefühlen Farben und Formen o.ä. zu geben, fühlen sie sich zunächst blockiert. Also einige jedenfalls. Wenn man sich jedoch darauf einlässt, ist das Visualisieren seiner inneren Vorgänge ein sehr hilfreiches und kraftvolles Tool.

 

Ich hatte als Kind Angst im Dunkeln, vor Geistern und dunklen Gestalten, die mir etwas Böses wollen. Das klingt vielleicht völlig normal, weil Kinder nunmal Angst vor Monstern unterm Bett haben. Es war aber nicht ganz so normal. Ich traute mich nachts nicht aus dem Bett, wenn ich aufs Klo musste. Nur unter äußerster Anstrengung. Ihr könnt euch vorstellen, wie mich Filme wie "The 6th sense" triggern. Denn diese Angst ist nicht ganz verschwunden, auch wenn sie sich nur noch selten zeigt. Dann aber mit denselben Phänomenen wie früher. Was habe ich nicht alles versucht! Kleiner Tipp am Rande: mit Vernunft funktioniert es nicht. Es hilft nicht, mir zu sagen, dass es das alles nicht gibt und ich keinen Grund zur Angst habe. Also versuchte ich es mit der Visualisierung von Beschützern. War ok, aber reichte noch nicht, weil ich so immer noch das Opfer blieb, das Angst haben muss. Seit ich mir vorstelle, dass all diese düsteren Gestalten Angst vor MIR haben, weil ich sie wie ein Drache mit meinem Feuer verbrenne, habe ich die Angst nach triggernden Filmen sehr viel besser im Griff. Klingt nach lächerlichem Kinderkram? Erklärt das mal der kleinen Yvonne! Die fühlt sich jetzt jedenfalls selbstwirksamer und stärker.

 

Wer nicht weiß, wie er (seinen) Kindern psychische Krankheiten erklären soll, dem empfehle ich diese kindgerechte Sendung.

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