Aufrufe für mehr Toleranz sind allgegenwärtig. Die gleichgeschlechtliche Ehe, Fremdenfreundlichkeit, Integration (oder sogar Inklusion) von Menschen mit Behinderung. Tierschutzaktivisten fordern
mehr Achtung unseren Mitgeschöpfen gegenüber. Alles schön und gut. Was ist mit psychisch kranken Menschen? Ja, es gibt Berichte im Fernsehen über Depressionen und Burn Out. Aufklärungsversuche,
Menschen, die ihre Schicksale schildern. Ein netter Anfang. Und im Alltag?
Der Ausdruck "psychisch krank" klingt ja schon nach "bekloppt" - jemand, mit dem man lieber nichts zu tun haben möchte. Und genauso reagieren die Menschen darauf. "Die ist gerade in einer
Tagesklinik. Ich hab für sowas ja nicht so viel Verständnis." Ein anderes Originalzitat: "Die war auch mal in einer psychosomatischen Klinik. Das sagt ja schon alles über diese Person aus...!!!"
Und ich stehe daneben und denke: Soll ich lächeln oder zuschlagen? Manche wirken regelrecht angewidert, wenn jemand von seinen psychischen Problemen spricht.
Sicher rühren derartige Reaktionen von Unsicherheit, Angst und mangelnder Info. Ist bei Schwulen, Ausländern und Behinderten nicht anders. Was aber am meisten fehlt sind Mitgefühl und Toleranz.
Menschen, die anders sind, stören. Sie zwingen einen dazu, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Das ist unbequem.
Dabei sind wir im Grunde alle gar nicht so verschieden. Jeder Mensch will glücklich sein. Er will in Frieden er selbst sein dürfen und als solcher geachtet werden. Darüber hinaus gibt es
natürlich die wunderbar bunte Vielfalt. Wo bitte ist da die Bedrohung? Und jetzt kommt mir nicht mit islamistischen Terroristen! Das ist etwas völlig anderes. Religion und politische Gesinnung
sind Entscheidungen. Mir geht es hier um ein Anderssein, das sich keiner aussuchen kann. Es gibt nichts Gemeineres, als jemanden für sein Sosein zu hänseln, zu verachten, zu verprügeln und
auszugrenzen. Außerdem ist das völlig unsinnig.
Ich persönlich finde ja Menschen, die eine Lebenskrise gemeistert haben, ziemlich großartig. *hüstel* Ja, sie lagen am Boden und schienen endgültig verloren. Wer in solchen Zeiten nur von
Menschen umgeben ist, die "für sowas nicht so viel Verständnis" haben, der hat es besonders schwer. Und so Mancher ist tatsächlich nicht mehr aufgestanden - trotz Unterstützung. Robin Williams
zum Beispiel. Er war trotzdem großartig. Hat er versagt oder verloren? Muss man das überhaupt bewerten? Keine Ahnung. Er hat eine Entscheidung getroffen.
Kennen wir nicht alle schwere Zeiten? Sind wir nicht alle ein bisschen "Bluna"? Man muss nicht nachempfinden können, wie einer lebt oder ist. Es reicht, ihn so anzunehmen. Ohne Bewertung. Davon
ist niemand ganz frei. Auch ich nicht. Das ist menschlich. Aber mit einem gewissen Bewusstsein, über das der Mensch verfügt, trägt man die Verantwortung, sein Verhalten und Denken zu
überprüfen.
Mich haben die oben zitierten Aussagen sehr verletzt. Aber sagen sie wirklich etwas über mich aus? Nein, eher etwas über die Menschen, die sie ausgesprochen haben. Es kann jeden treffen,
irgendwie anders zu sein. Es kommt nur auf das Umfeld an. Ich bitte um Respekt!
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