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Alles nur Fassade

Bild: Pixabay
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Oft kriege ich Sätze zu hören, wie "Ich bin überrascht, wie gut du aussiehst!" oder "Das sieht man dir gar nicht an." Den größten Knaller zündete mein erster Psychiater mit den Worten: "Sie wirken gerade nicht depressiv auf mich." Wie bitte wirkt man denn depressiv?

Eigentlich bin ich ja ganz froh darüber, dass ich nicht permanent wie das heulende Elend aussehe. Wenn ich jedoch von gewissen Ämtern vorgeladen werde, fände ich es ganz hilfreich, dass man "es" mir ansieht. Doch stattdessen scheine ich Kraft und Stabilität auszustrahlen. Dabei habe ich es mir angewöhnt, vor solchen Terminen die ungetönte Tagescrème zu benutzen. Offensichtlich ohne Erfolg.

Sobald ich das Haus verlasse und auf Menschen stoße, geschieht folgendes: ich lächle, habe für jeden ein nettes Wort übrig und reiße dumme Witze. Völlig egal, wie schlecht es mir im Inneren geht. Das passiert ganz automatisch. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, daneben zu stehen und mir dabei zuzusehen. Und schüttle selber den Kopf über mein Verhalten. Aber ich habe kaum Einfluss darauf. Ich finde es zwar auch anstrengend, meine Befindlichkeit zu verbergen, sie jedoch offen zu zeigen und authentisch zu bleiben ist noch viel mühevoller.

Warum mach ich diesen Quatsch? Es handelt sich um ein ganz altes Muster, das mich als Kind überleben ließ. Da ich emotional für meine Eltern verantwortlich war, stellte ich meine eigenen Bedürfnisse und Gefühle zurück. Bis ich den Zugang zu ihnen verlor. Dieses Verhalten habe ich derart kultiviert, dass es zum Selbstläufer wurde. Hauptsache, den anderen geht es gut. Und sie brauchen sich keine Sorgen um mich zu machen! Denn wer weiß, auf was für lustige Ideen sie kommen würden, um mir zu "helfen". Meine Mutter war da sehr kreativ. Meine Situation wurde durch ihre Interventionen stets verschlimmbessert. Es greifen also gleich zwei Motivationen bei der Verbergung meines Zustands. 1. Ich bin nicht wichtig. 2. Man könnte meine Situation nutzen, um sich als mein Retter aufzuspielen, mich somit entmündigen, bloßstellen und mich selbstzufrieden in noch größerem Chaos zurück lassen.

Deshalb nehme ich auch nicht so gerne Hilfe an, geschweige denn, gezielt danach zu fragen. Also täusche ich nach außen hin Stärke und Unabhängigkeit vor, während innerlich die Hütte brennt. Mit dem Ergebnis, dass man mich möglicherweise für eine Simulantin hält, wenn ich sage, dass ich depressiv bin (*grins*), dass man mich stabiler einschätzt, als ich tatsächlich bin, und dass ich nicht die Hilfe bekomme, die ich brauche, mir aber auch nicht zu wünschen eingestehen will. Total verdreht und komplex. Zumal ich das wirklich nicht mit Absicht mache. Und obwohl es mir mittlerweile bewusst ist, bin ich noch meilenweit davon entfernt, dieses Muster zu lassen.

Das geht mitunter so weit, dass ich selber anfange, an meiner Depressivität zu zweifeln. Dabei sind die Symptome eindeutig. Was mich vielleicht ein wenig von den meisten Depressiven unterscheidet, ist, dass ich sehr gut an meine Wut rankomme und ziemlich aggressiv werden kann. Die gesunden Aggressionen (heißt, die Umwelt an meine Bedürfnisse anzupassen, z.B. um etwas zu bitten oder Grenzen zu setzen) unterdrücke ich allerdings schon. Deshalb ja die Depressionen. Meine Traurigkeit habe ich kaum gelebt aus Angst, ausgeliefert zu sein und die Kontrolle  zu verlieren. Mir fällt es leichter, wütend zu sein. Dadurch habe ich aber wahrscheinlich noch zu viel Energie, um als depressiv durchzugehen. Entschuldigung, dass ich nicht ständig heule und mit hängenden Schultern durch die Gegend schlurfe! Ich arbeite dran.

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